Diabetes offline: Abschalten im Urlaub

von Saskia Leonhardt

Mallorca 2019

Diabetes ist und bleibt ein Vollzeitjob, von dem man selbst im Urlaub kein Urlaub machen kann, oder doch? Ich hab’s versucht und ich möchte behaupten, dass es mir zum größten Teil gelungen ist. Wie? Davon möchte ich euch in diesem Beitrag erzählen.

Anfang August hieß es für uns: Koffer packen. Eine Urlaubswoche auf Mallorca stand an. Wir haben uns mit 10 Freunden gemeinsam eine Finca gemietet und für mich stand ziemlich schnell fest: Pia muss her! Pia, meine Ypsopump ist wasserdicht und der Gedanke, dass irgendwer spontan in den Pool fliegt, bei so einer großen Gemeinschaft, ist irgendwie nicht so abwegig. Ich hatte Sorge, dass meine Veo oder der Rileylink kaputt gehen könnten, zumal die Tasten der Veo sowieso sehr anfällig sind für Feuchtigkeit und ich diese Erfahrung schon ein Mal machen musste. Das Loopen ist für mich eine neu gewonnene Lebensqualität, auf die ich gut und gerne eine Woche verzichten konnte, anstatt für immer. Jedoch war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, dass daraus ein kleiner „Diabetesurlaub“ im Urlaub entsteht.

Traumwerte zum abschalten

Ich hatte mir vorgenommen, jetzt eine Woche lang abzuschalten. Also den Grenzbereich etwas ausdehnen und nicht nach Perfektion zu streben. Urlaubstage möchte man auch einfach mal genießen und ich dachte ohne meinen Loop läuft’s sowieso nicht so rund. Um so überraschter war ich, als es nahezu perfekt lief. Für den Urlaub, in dem ich eigentlich fünf gerade sein lassen wollte, waren das absolute Traumwerte und ich muss dazu sagen, ich habe auf nichts verzichtet. Vielleicht lag es an dem Stresspegel der sinkt, wenn man an einem erholsamen Urlaubsort ankommt. Ich weiß es nicht, aber ich habe es sehr genossen.

Good bye Dexcom

Am letzten Tag wurde es meinem Dexcom Sensor zu viel. Das nicht zusätzliche fixierte Pflaster hat sich nach 5 Tagen Wärme, Pool, Strand, Meer und Sonnencreme gelöst. Theoretisch hatte ich zwar noch genügend Sensoren parat, aber absolut keine Lust einen neuen zu setzen. Mein fast schon eingestaubtes Blutzuckertestgerät musste her. Ich hatte mir vorgenommen zwar spätestens zu Hause einen neuen zu legen, aber dann habe ich diese Freiheit von den kontinuierlichen Werten und Alarmen wahrgenommen und der geplante Sensor blieb aus.

Urlaubstipp: Wenn man den CGM-Sensor versteckt, bleiben einem weiße Kreise, durch die Sonnenbräune erspart.

Diabetes Apps ausgeschaltet

Ehrlich gesagt habe ich so viele Diabetes-Apps, dass ich schon einen eigenen Diabetes-Ordner dafür in meinem IPhone eingespeichert habe. Hauptsächlich nutzen tue ich aber die Loop-, Dexcom- und Clarity-App. Drei Diabetes-Apps, die ich einfach ausgeschaltet (und auf die letzte Seite verschoben) habe – Freiheit pur.

Besonders befreiend war, dass mein Handy mir keine diabetesbedingten Push-Benachrichtigungen mehr angezeigt hat. Keine Töne, keine Vibrationen, keine Anzeigen. Ich konnte noch besser abschalten als zuvor im Urlaub. Natürlich habe ich regelmäßig gemessen und es war auch anfangs sehr ungewohnt nur mit dieser Momentaufnahme des Blutzuckerwertes zu arbeiten, anstatt einer Kurve mit Trendpfeil, aber das sind die Basics. So hat auch vor 10 Jahren die Therapie funktioniert.

Einen Monat lang Diabetesurlaub

Seit Anfang September bin ich wieder zurück im Loopingmodus und normalen, also meinem alltäglichen Diabetesmanagement und ich fühle mich erholt, gestärkt und fit. Zuvor habe ich sowas noch nie gemacht. Die letzten Jahre habe ich mich mit der Technik weiterentwickelt und es ist wie, als würde man dauerhaft unter Strom stehen. Sich eine Pause zu nehmen ist etwas vollkommen legitimes.
Ich würde schon fast behaupten, dass es gesund ist, oder gesundheitsfördernd – aber das ist nur mein Empfinden. Wenn ihr aber auch das Gefühl habt, dass ihr dringend mal eine Pause braucht: geht offline! Ich kann so eine Auszeit auf jeden Fall sehr empfehlen.

Wie ich meine Auszeit gestaltet habe

  • regelmäßig Blutzucker getestet
  • Insulinzufuhr durch verschiedene Bolusvarianten
  • Kohlenhydrate und FPE berechnet
  • Katheter- und Reservoirwechsel
  • prozentuale Basalratenanpassung nach Bedarf
  • Kontrolle von Ketonen bei hohen Werten
  • zeitliche Begrenzung auf einen Monat
  • ich habe einen Monat lang keinen CGM-Sensor getragen (keine Alarme oder Push-Benachrichtigungen)
  • alle Diabetes-Apps ausgeschaltet
  • kein Diabetes-Tagebuch geführt
  • ich habe mir keine Auswertungen/Tagesverläufe in Clarity angesehen
  • Loop ausgeschaltet / keine Basalraten- oder Faktorentests
  • keine Vorwürfe oder Schuldgefühle

(Wichtig: Die grundlegende Versorgung der Diabetestherapie sollte immer durchgeführt werden. Davon können wir leider keinen Urlaub nehmen!)

Meine persönlichen Vorteile

  • Unterbrechung der dauerhaften Aufmerksamkeit und des Vollzeitjobs: Typ 1 Diabetes
  • unterbewusstes Training der Hypowahrnehmung
  • Förderung von Achtsamkeit und Bewusstsein für den eigenen Körper und das gesundheitliche Wohlbefinden
  • Entspannung genießen und zur Ruhe kommen
  • altbekannte, vergessene Ressourcen neu entdecken
  • Motivation wieder finden
  • fokussierte, neue Ziele setzen
  • zudem habe ich festgestellt, dass ich gar keine Trommeln mehr für meine Lanzetten hatte und konnte mir schnell ein neues Rezept organisieren.

Alte Angewohnheiten und neue Ziele

Oftmals ist man so eingefahren in seiner Therapie, dass man gar nicht mehr über den Tellerrand schaut. Flüchtigkeitsfehler schummeln sich ein, die zur Routine werden. Insbesondere hierfür tat diese Auszeit sehr gut. Ich konnte mir neue Ziele setzen und hinterfragen, warum ich vieles in der letzten Zeit nicht mehr erreicht habe. Fühlt sich irgendwie an, wie ein kleiner Neustart.

Einfach mal den Reset Knopf drücken

Wer von euch hat auch schon Mal eine kleine Diabetes-Auszeit eingelegt? Ich würde mich freuen, von euren Erfahrungen, Vor- und Nachteilen zu lesen. Vielleicht konnte ich auch den ein oder anderen dazu inspirieren selbst den Restknopf zu drücken – dann mag ich unbedingt davon erfahren ♥︎

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