Diabetes & Motivation: 10 Möglichkeiten sich zu motivieren

von Saskia Leonhardt

Motivation finden ist manchmal wirklich eine Herausforderung. Das Diabetesmanagement erfordert, dass wir jeden Tag am Ball bleiben. Ein zusätzlicher Vollzeitjob, neben all den anderen Aufgaben und Anforderungen und die Kunst besteht darin, durchzuhalten. Motiviert zu bleiben. Ja, einfach immer am Ball bleiben. Schwierig. Wer kann schon immer präsent sein und sein Bestes geben? Es ist menschlich, dass wir nicht immer motiviert sind. Dass wir mal einen Durchhänger haben. Doch mit dem Motivationstief und der Auszeit, die uns durchaus auch mal zu steht, kommt auch das schlechte Gewissen und die Vorwürfe. Schließlich ernten wir sofort Konsequenzen (gesundheitliche Einschränkungen!) sobald wir mal nicht parat stehen. 

Bei mir zeigen sich solche Motivationstiefs immer in Form von erhöhten Blutzuckerwerten. Ich toleriere auch mal eine 230mg/dl und gebe Bolusgaben verspätet. Mein Wissen um den Spritz-Ess-Abstand (SEA) oder das korrekte Abwiegen von Kohlenhydraten streiche ich komplett und dann dauert es auch nicht mehr lange bis ich mich unwohl fühle, launisch werde oder keine Lust mehr habe aus dem Haus zu gehen. Spätestens dann greife ich auf meine Ressourcen zurück und krame aus der hintersten Schublade den letzten Rest Motivation zusammen, um wieder auf die Spur zu kommen.   

1. Es geht um dich

Das ist bestimmt keine Neuigkeit, aber manchmal muss ich mir selbst auch diese einfache Tatsache ins Bewusstsein rufen. Mich nehmen grundsätzlich alltägliche Aufgaben ein: Einkaufen, Essen kochen, Haushalt, achja und wann war nochmal der Arzttermin mit Opa? Ich habe ein Talent dafür, dass alles andere viel wichtiger ist, als die Bedürfnisse meines Körpers und ich weiß, damit bin ich nicht die Einzige. Also auf dem Weg zurück zur Motivation ist mein persönlicher erster Schritt, dass ich mir bewusst mache, dass es um mich geht. Ich bin der Mittelpunkt meines Lebens, auch wenn ich dies gerne in den Hintergrund stelle. Es geht letztendlich nur um mich und zu mir gehört nun mal auch mein Diabetes. Das nimmt mir niemand ab. 

2. Besseres Wohlbefinden

Ich motiviere mich indem ich mir mein Ziel vorstelle. Meist gehen solche Tiefphasen bei mir mit schlechten Blutzuckerwerten einher und dann denke ich daran, wie mein Tag wäre, wenn ich motivierter gewesen wäre. Ich hätte sehr wahrscheinlich gute Laune, würde mich fit fühlen und hätte Lust was zu unternehmen. Stattdessen bin ich launisch, genervt, müde und Netflix mein bester Freund. Ich visualisiere also meinen Wunsch und stelle mir genau vor, wo ich hin möchte. Ich möchte stabile Blutzuckerwerte und mich gut fühlen. Mit diesem Gedanken stärke ich immer wieder Motivation!

3. Lebensqualität

Auch ein Gedanke von mir, der euch inspirieren könnte. Früher als ich nicht nur keine Motivation hatte, sondern meinen Diabetes sogar ignoriert habe, hat sich mein Körper an diesen Zustand gewöhnt. Der Zustand von Übelkeit durch positive Ketone, häufigem Wasserlassen, katastrophal hohen Blutzuckerwerten, Konzentrationsschwäche und Infektanfälligkeit, waren für mich meine Norm. Ich dachte wirklich, dass sich so der Normalzustand anfühlt, bis mich das Gegenteil überraschte. Als sich der Effekt von einer gesunden Blutzuckereinstellung auf mein Leben auswirkte, musste ich feststellen, dass ich doch gar nicht so zickig und launisch war.  Meine Noten in der Schule sind (ohne das ich mehr gelernt habe) einfach besser geworden. Bis in die dritte Etage laufen brachte mich nicht mehr an meine Grenze und auch im Sportunterricht war ich besser geworden. Ich hatte zuvor eine vollkommen verfälschte Wahrnehmung vom Leben und der Lebensqulität. Dieses Wissen würde mich also nie wieder dazu verleiten, an diesen Punkt zu kommen. 

4. realistische Ziele

Ein ganz wichtiger und motivierender Punkt. Realistische Ziele. Von heut‘ auf morgen ist niemand perfekt. Das schwammig formulierte Ziel: „Ich mache es jetzt besser“ bringt so gut wie gar nichts, da der Rückschlag viel größer ist, wenn man es doch nicht besser gemacht hat. Step by Step. Jeden Tag ein bisschen und jeder Erfolg bringt wieder ein bisschen mehr Motivation mit sich. In diesem Prozedere kommt man viel schneller vorran, als sich mit Rückschlägen rumzuschlagen, wobei man sich nur im Kreis dreht. Entscheidend für ein realistisches Ziel ist aber auch, dass es klar formuliert ist: Was kann ich mir konkret vorstellen wirklich umzusetzten?

5x tägl. Blutzucker messen/scannen

Ich messe jeden Morgen, zu jeder Mahlzeit und vor dem Schlafen gehen und reagiere auf diesen Wert. (Bolusgabe, Basalratenanpassung, usw.)

Erinnerung: Katheterwechsel

(Nutze ich bis heute noch): Ich stelle mir eine Erinnerung ins Handy um spätestens alle 2 Tage meinen Katheter zu wechseln.

Kohlenhydrate berechnen

Mindestens vier Mal in der Woche oder immer zum Frühstück/Abendessen berechne bzw. wiege ich meine Kohlenhydrate richtig ab.

5. Schulung & Diabetesberatung

Zwischendurch sieht man auch den Wald vor lauter Bäume nicht. So schleichen sich auch Flüchtigkeitsfehler oder kontraproduktive Angewohnheiten in die Diabetestherapie ein. Neben meinen Quartalsuntersuchungen nehme ich also auch gerne mal nur einen Termin bei meiner Diabetesberaterin wahr. Es hilft mir, wenn mal jemand anders objektiv auf meine Werte schaut und mir mögliche Fehler/Angewohnheiten aufzeigt. Oftmals gibt man sein Bestes und doch funktioniert es nicht so richtig – in einem Beratungsgespräch könnten solche Angewohnheiten ans Tageslicht kommen und durch minimale Anpassungen behoben werden. Neuer Erfolg – neue Motivation. Ganz einfach. 

6. Gefühle zu lassen

Manchmal muss man sich einfach Luft machen und das ist vollkommen in Ordnung. Wir versuchen wie unsere Bauchspeicheldrüse zu denken. Wir geben tagtäglich alles und dann sorgt die nächste Hypo für den absoluten Wutausbruch. Niemand hat sich diese chronische Krankheit ausgesucht. Niemand kann was dafür, also muss man zwischendurch auch mal all die Gefühle raus lassen. 
Manchmal macht mich mein Diabetes traurig, manchmal zickig und launisch, manchmal wütend, manchmal brauche ich Anerkennung oder Wertschätzung und manchmal muss ich einfach nur aussprechen, dass Diabetes scheiße ist. Irgendwie ist es stückweit befreiend und wenn man mit einer Vertrauten Person darüber redet, auch gleichzeitig motivierend. 

7. Steh drüber, lach drüber!

Ich weiß, grundsätzlich ist Typ 1 Diabetes eine ernst zu nehmende Erkrankung. Doch wir sind doch selbst diejenigen, die unser Stoffwechseldefizit kompensieren müssen – also dürfen wir auch mal scherzen. Es lebt sich leichter, wenn man lacht und manches mit Humor nimmt. So hat auch meine Ypsopump den Namen Pia bekommen und ich konnte mit meiner Mama herzhaft lachen, als sie meine Insulinschläuche aufheben wollte mit den Worten: „Wer weiß, die kann man bestimmt nochmal gebrauchen“ 😂

8. Hilfsmittel

Die Therapiemöglichkeiten werden immer vielfältiger. Möchte ich mein Insulin mit dem Pen spritzen oder eine Insulinpumpe tragen? Möchte ich einen CGM oder einen FGM Sensor? Dokumentiere ich handschriftlich, mit einer App oder auch gar nicht? Was ist mir wichtig? 
Unsere Utensilien müssen keineswegs langweilig aussehen. Wir können alles gestalten, anpassen und das nach unseren Bedürfnissen! Früher wurde zum Beispiel mein Insulin von NovoRapid auf Humalog umgestellt, weil ich so die Möglichkeit hatte den rosanen Lilly Pen zu nutzen. Immerhin komme ich ja nicht drum herum meinem Körper Insulin zuzufügen, aber wenn ich das mit einem Pen in meiner Lieblingsfarbe lieber tue, wieso nicht?
Wer also seine Therapie aufhübschen möchte, kann ganz einfach online nach Inspirationen schauen und kreativ werden. Wer denkt, ein anderes Hilfsmittel würde besser zu seinem Leben passen, sollte unbedingt das Gespräch in seiner Praxis suchen. 

9. Unterstützung

Ich weiß, niemand nimmt gerne Hilfe an oder bittet sogar darum. Doch manchmal braucht man Hilfe um sich wieder selbst motivieren zu können. Niemand schafft alles allein, dass darf man sich ruhig mal eingestehen. Sich von den Eltern oder dem Partner Unterstützung zu wünschen ist keineswegs ein Zeichen von Schwäche, sondern eher Stärke. Letztens hatte ich eine Phase in der ich abends immer wieder Bolusabgaben vergessen habe, weil ich einfach müde war und eingeschlafen bin. Nach ein paar Tagen habe ich schließlich meinen Freund, der meist erst später ins Bett geht als ich, darum gebeten, bevor er einschläft kurz meinen Wert zu checken. Wenn der zu hoch ist, sollte er mich einfach wieder wecken und an den Bolus erinnern. Nachdem mich seine Kontrolle dann so genervt hat, habe ich wieder selbst daran gedacht und die Phase war vorbei – und mit jedem kleinen Erfolg kommt auch die Motivation zurück. 

10. Community

Vor allem auf Instagram greife ich mir immer wieder Motivationskicks ab! Ich liebe andere Postings, die ganz einfache Alltagssituationen darstellen. Menschen, die genau das selbe erleben wie ich. Hier kann man sich austauschen, sich gemeinsam freuen und auch mal aufregen. Niemand ist mit Typ 1 Diabetes alleine!

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3 Kommentare

Danny Kesting- Sweet Systems - Diabetescoaching 1. Februar 2020 - 1:00 pm

Hallo, der Artikel spricht mich sehr an….. und beschreibt sehr gut, wie es uns mit unserem Diabetes gehen kann. Ich habe selbst Diabetes seit 32 Jahren und coache mittlerweile Menschen mit Diabetes. Meistens geht es genau darum, was Du gerade beschrieben hast. Die größte Herausforderung ist, den Diabetes in den Alltag zu integrieren, trotz Beruf, Familie, Freizeit, Freunde ihn nicht zu vergessen und zwischendurch inne halten und der eigenen Achtsamkeit nachspüren. Und immer motiviert sein, sich um alles zu kümmern, ist die zweite große Herausforderung. Es wäre absolut utopisch zu glauben, dass man immer 100 % geben kann. Manchmal müssen es auch einfach 70-80% sein…. da geb ich Dir völlig recht, dass es dann viel mehr darauf ankommt, den Weg zurück zu finden, und da sind Deine Strategien sehr hilfreich….. ich verwende diese auch in ähnlicher Form bei meinen Klienten… 🙂 Ich hoffe, Du findest Deinen Weg wieder zurück und wünsch Dir alles Gute. Herzliche Grüße, Danny

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Melanie Gilzer 1. Februar 2020 - 1:10 pm

Schön geschrieben. Auch wenn ich keinen Diabetes habe. Oft funktioniere ich nur für andere. Und am Wochenende liege ich ausgelaugt auf der Couch. Mir tun alle Gelenke weh und der Magen rebelliert. Wenn ich meinen Mann und meine Kinder nicht hätte, wäre ich sicher ein Fall mit Depressionen. Ich muss mich oft erinnern für wen ich das alles mache. Und auch gerne mache. Was ich immer vergesse, bin ich selbst. Auch mal was für mich zu tun. Danke für deine Tipps . ich freue mich dich Montag wieder zu sehen. Gute Besserung bis dahin. Winke

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Diabeteco 2. Februar 2020 - 1:15 pm

Sehr schöne Punkte die du da aufgefasst hast. Gerade die letzten beiden Punkte sind die meiner Meinung nach wichtigsten. Hier würde ich, unter Punkt 9, aber auch noch den engeren Freundeskreis mit einbeziehen. Denn nicht alles möchte man seinen Eltern oder seinem Parnter „anvertrauen“.
Auch das permanente streben nach den perfekten Werten vor und nach einer Mahlzeit, nach dem Sport oder was auch auch immer man gerade für eine Situation hat, ermüdet einen und sollte die weitere Motivation nicht kaputt mache. Man sollte sich dann lieber an den kleinen Erfolgen im Diabetiker dasein erfreuen. Beispielsweise einen immer besser werdenden Langzeitwert oder immer besser werdende Technologien oder Insuline.

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